Die Ausstellung «Zwei Maler am Bodensee» im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen (5.4. bis 17.8.2025, Kurator Andreas Rüfenacht) zeigt in der Gegenüberstellung Otto Dix (1891–1969) und Adolf Dietrich (1877–1957). Zwei grosse Künstler der «Neuen Sachlichkeit» um die 1920er Jahre. Rund 100 Werke der Moderne präsentieren die Realität, wie sie ist. Beide Maler werden zu dieser Zeit vor allem in Deutschland ausgestellt und haben dort Erfolg. 1937 trennen rund 3,5 Kilometer Flugliniendistanz die beiden Maler voneinander. Sie sind Nachbarn. Trotz dieser physischen Nähe lernen sie sich nie persönlich kennen. Keiner sucht den Austausch mit dem andern. Beide malen Landschaften. Sie haben nichts Gemeinsames als den gegenüberliegenden Blick auf den Untersee des Bodensees und die Leidenschaft für die Malerei. Beide finden ihren eigenen Weg.
Dix’ & Dietrichs Bilder berauschen. Sie begleiten und bewegen mich. Tauchen unerwartet auf.

Adolf Dietrich, Balbo, auf der Wiese liegend, 1955, Kunstmuseum Thurgau, Depositum Thurgauische Kunstgesellschaft, Foto: Stefan Rohner, © 2025, ProLitteris Zurich

Otto Dix, Dackel, 1920, Zeppelin Museum Friedrichshafen, Leihgabe der ZF Friedrichshafen AG | Foto: Irene Jost
Otto Dix
Otto Dix ist ein deutscher Bohemien, ein Mensch der Grossstadt mit einer akademischen Ausbildung. Er setzte sich mit den klassischen Altmeistern auseinander. Schon vor dem ersten Weltkrieg wandte er sich in der Malerei der Avantgarde zu und experimentierte im Stil aller Epochen. Er war bekannt und erfolgreich. Radikal und hart im Ausdruck. 1914 wird er eingezogen: es entstehen futuristische Zeichnungen und das bedeutendste Kriegs-/Antikriegsbild «Schützengraben» seiner Zeit. Mit der Machtergreifung der Nazis wird Dix 1933 von der Kunstakademie Dresden als Professor (1927–1933) entlassen. Im Jahr 1937 diffamiert und in der Proganda-Ausstellung «Entartete Kunst» des NS-Regimes gezeigt. Von da an darf Dix nicht mehr malen oder ausgestellt werden. 260 seiner Werke werden beschlagnahmt. Dix malt weiter unter Risiko. Kurzzeitig wird er inhaftiert. Nach seiner Entlassung lässt er sich am Untersee in Hemmenhof (DE) am Bodensee nieder. Dieser Einschnitt hat Einfluss auf sein Schaffen. Nun malt er Landschaften und viele Selbstportraits – eine Auseinandersetzung mit seinem inneren Selbst. Der Exilant Dix leidet: «Ein schönes Paradies. Zum Kotzen schön. Ich müsste in die Grossstadt! Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh.» 1945 wird Dix im Zweiten Weltkrieg eingezogen und gerät in französische Gefangenschaft. 1946 kommt er frei. Dix’ Werk ist kraftvoll und das Erlebte sichtbar.
Die Portraits von Otto Dix üben Sozialkritik, reflektieren schwierige Lebensbedingungen und Zeitumstände. Das Individuum tritt in den Hintergrund. «Ich war immer für Typen. Die Gassen, die Cafés – da fand man alles. Das Triste, das Alltäglich hat mich gereizt.»

Otto Dix, Selbstbildnis mit Pelzkappe, 1947, Kunstsammlungen Chemnitz – Museum Gunzenhauser, Eigentum der Stiftung Gunzenhauser | Foto: Irene Jost

Tod und Auferstehung (II: Lustmord), 1922, Originalradierung (45/50); Museum zu Allerheiligen Schaffhausen | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Sterbender Krieger, 1915, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Depositum der Sturzenegger Stiftung | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Bildnis Emmi Hepp, 1919, Privatsammlung | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Matrosenbraut, 1921, Kunsthaus Zürich, Geschenk Margarete Bachmann, München, 1958, Foto: Kunsthaus Zürich, © 2025, ProLitteris Zurich

Otto Dix, Mädchen am Abend, 1922, Privatsammlung | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Nelly mit Ball, 1925, Otto Dix Stiftung Vaduz | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Blonder Mädchenkopf, 1928, Kunstmuseum Bern, Legat Cornelius Gurlitt 2014 | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Bauernmädchen in der Stube, 1949, Otto Dix Stiftung Vaduz | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Vier Masken, 1948, Sammlung Karl Lang Büsingen | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Der Maler und das Kind, 1947, Otto Dix Stiftung Vaduz | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Eselsdistel und Mohn, 1947, Sammlung Karl Lang Büsingen | Foto: Irene Jost

Otto Dix, Aufbrechendes Eis, 1940, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Depositum der Sturzenegger-Stiftung, Foto: Jürg Fausch, © 2025, ProLitteris Zurich
Adolf Dietrich
Der bodenständige Adolf Dietrich wächst als jüngstes von sieben Kindern in bescheidenen Verhältnissen im thurgauischen Untersee-Dorf Berlingen (CH) am Bodensee auf. Sein Lehrer sieht die grosse zeichnerische Begabung und möchte ihn fördern mit einer künstlerischen Ausbildung. Die Familie ist arm und will, dass Diedrich einen Beruf erlernt. Er arbeitet in einer Trikotfabrik, später als Maschinenstricker zu Hause, als Waldarbeiter und SBB-Streckenarbeiter. Dietrich ist ein Autodidakt, er malt in seiner Freizeit, wann immer er kann. Meist nur sonntags. Immer wieder seine kleine Welt, die er gross macht. Ab 1924 lebt er von der Malerei dank der Förderung durch den Kunsthändler Herbert Tannenbaum. Dietrich ist mit der Natur tief verbunden und holt darin seine Inspiration. Seine Portraits sind tief und still. Das Wesen der Person ist subtil fesselnd eingefangen. Bemerkenswerte Werke: Die Dahlien und das Stillleben mit Rettich. Das Hundeportrait von Balbo hat etwas Magisches. Dietrichs Kinderdarstellungen treffen die unschuldige Kindlichkeit und Reinheit. Die Kompositionen sind im Detail durchdacht. Prosa und Lyrik. Dietrich wird fälschlicherweise oft als «naiv inniger» oder «modern primitiver» Hobbymaler «schubladisiert». Seine Bilder verlangen ein richtiges Sehen und Hinsehen.

Adolf Dietrich, Selbstbildnis, 1932, Kunstmuseum Thurgau, Foto: Ivan Ivic, © 2025, ProLitteris Zurich

Adolf Dietrich, Ernstli, auf dem Küstli schlafend, 1925, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Winterthur | Foto: Irene Jost

Adolf Dietrich, Der Zuckeresser, 1924, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Depositum der Sturzenegger-Stiftung | Foto: Irene Jost

Adolf Dietrich, Mädchen mit roter Korallenkette, 1932, Kunstmuseum Thurgau | Foto: Irene Jost

Adolf Dietrich, Mädchen mit langen Zöpfen, 1931, Kunstmuseum Thurgau | Foto: Irene Jost

Adolf Dietrich, Im Wirtshaus, 1924, Kunsthaus Zürich 1959 | Foto: Irene Jost

Adolf Dietrich, Gelbe Dahlien vor Seelandschaft, 1940, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Depositum der Sturzenegger-Stiftung, Foto: Jürg Fausch, © 2025, ProLitteris Zurich

Adolf Dietrich, Stillleben mit Rettich, 1936, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Depositum des Kunstvereins Schaffhausen, Sammlung Kunstfreunde | Foto: Irene Jost

Adolf Dietrich, Frühling in der Stadt (Ludwigshafen), 1923, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Depositum der Sturzenegger-Stiftung, Foto: Jürg Fausch, © 2025, ProLitteris Zurich

Adolf Dietrich, Winterlandschaft am Untersee, 1933, Sammlung Christoph Blocher | Foto: Irene Jost
Adolf-Dietrich-Haus in Berlingen/CH: Mai–September, Sa/So 14–18.00h → Infos
Museum Haus Dix, Gaienhofen/DE: Saisonstart März–Herbst → Infos
Katalog Dix/Dietrich: CHF 38.00 → bestellen
(Hrsg. Museum zu Allerheiligen, Autor Andreas Rüfenacht)
Bildquellennachweis: Siehe je Bild in der Bildlegende. Einerseits von der Presseseite des Museums zu Allerheiligen (Mediendownload) und anderseits Fotos von Irene Jost in der Ausstellung (Infos je Bild gem. Ausstellungsschild).
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