Hommes fatals – Jarvis Cocker & Chilly Gonzales

# Zufälle

Jarvis Cocker – König des Kunst-Pop

Neue Band «Jarv is»: «Beyond the Pale», 2020
Vom Brit-Pop zum Kunst-Pop: Jarvis Cocker ist Bandleader, Songschreiber und Sänger der neuen Band «Jarv is», Debut-Studio-Album «Beyond the Pale», produziert von Geoff Barrow, Portishead, veröffentlicht beim Londoner Independent Label «Rough Trade Records». Ein grossartiges Album, wie immer bei Jarvis, ungewöhnlich und neben der Spur von Pop. «Zusammen mit dem Publikum Songs schreiben», ist die Inspiration dieses Albums. Mit Studio-Skizzen entstanden vor Ort an Festivals die Songs mit Live-Aufnahmen: Ungefähr die Hälfte der Lieder, die später mit Editing, Gesang und Overdubs fertig «komponiert» wurden (z.B. «Must I Evolve», «Sometimes I Am Pharaoh», «Children of the Echo»). Jarvis’ aussergewöhnliche Stimme und Texte prägen das Album. Er ist ein humorvoller Geschichten-Verführer. So lässt er im Zwielicht den Klimawandel, Zukunftsangst, den Verlust des Heiligen oder die Vereinsamung anklingen. Seine Hauptbotschaft: Der Wert der menschlichen Kultur, der Kunst, der Musik und der Literatur. Er spannt dazu einen Bogen, von der Höhlenmalerei (Song «Must I Evolve») bis zur House Musik. Und weiter. Es ist nicht zum Tanzen, sondern zum Zuhören. Immer wieder. Wer schaut schon auf Charts? – das war gestern!


© 2020, Jarvis Cocker, «Beyond the Pale» (Rough Trade Records) / Foto: Dave J. Hogan

«House Music All Night Long» → Song anhören
«Must I Evolve» → Song anhören
«Sometimes I Am Pharaoh» → Song anhören
«Am I Missing Something» → Song anhören

 

«Room 29» von Jarvis Cocker und Chilly Gonzales, 2017
Piano-and-Voice-Album. Der Brite Jarvis Cocker, Ex Sänger, Songwriter und Frontmann von Pulp. Chilly Gonzales, Kanadier, (Jazz)Pianist und Multiinstrumentalist, der sich dem Pop zuwendet und Komponist, bekannt geworden durch Electro-Tracks, satirisch angehauchtem Rapgesang und seinen Live-Auftritten in Bademantel und Seidenpyjama. Gonzales steuert die Musik, Cocker die Texte bei. Eine brillante Kollaboration und ein Konzeptalbum über das legendäre Showbiz-Hotel Chateau Marmont in Los Angeles. Lebendige Geschichten sind Zeugen dieses Hotelzimmers 29, erzählt wird von seinen illustren und normalen Gästen, seinen Gegenständen und Events, von Roomservice und mehr. Glamour & Einsamkeit. Im Song «Clara» wird in gehauchtem Bariton ausgeplaudert wie das Konzertpiano seinen Weg ins Zimmer fand. Es ist ein Spiel zwischen farbiger Fantasie, Kammerstück und dem Sehnsuchtsort in uns selbst. Bezaubernd. Zeitlos. In Berlin konnte man die beiden live in ihrem Kunst-Kammer-Liederzyklus-Projekt in kleinem Rahmen erleben, da wäre ich gerne dabeigewesen!


© 2017, «Room 29», Jarvis Cocker und Chilly Gonzales (Deutsche Grammophon)

«Room 29» → Song anhören
«Clara» → Song anhören
«Tearjerker» → Song anhören

 

Chilly Gonzales– König des Crossover
Chilly Gonzales alias Jason Charles Beck ist ein «bête de scène», ein irrer Unterhalter. Ein Grenzgänger, der fluid zwischen verschiedenen musikalischen Herangehensweisen und Genres wechselt: Von Soul, Pop, Electro, Rap, Solo-Piano zu Kammermusik. Da spürt man die klassische Jazz-Ausbildung, diese spielerische Lust am Experimentieren und Machen. Mir gefällt Gonzales am besten, wenn er zwischen Erik Satie, Maurice Ravel und Steve Reich, zwischen Pop und Klassik Solo Piano spielt. Warum ist Chilly Gonzales als Solo-Pianist so gut? Er hat lange in Hotels und Bars Klavier gespielt, um seine Musikausbildung zu bezahlen. Gonzales sagt: «Ich hatte einige solcher Klavierjobs und habe auch heute Respekt vor guter Hintergrundmusik. Ein Grund, warum meine Klavier-Alben vermutlich so gut funktionieren, dass man sie einerseits im Hintergrund laufen lassen und andererseits bewusst und intensiv hören kann.» Das ist grosse Kunst! Solo Piano I + II höre ich am Morgen im Bett, im Zug mit schnell vorbeifliegenden Landschaften, nach einem Tag Skifahren abtauchen oder im Sommer bei Hitze dösend unter dem schattigen Baum. Zeitlos: Solo Piano I + II begleiten mich seit Jahren.

Gonzales habe ich 2002 entdeckt, mit seinem prickelnden Album «Presidential Suite», es vermittelt pure (Lebens-, Musik-)Freude. Ein wilder Mix, der zeigt, was Chilly Gonzales alles ist.


© Chilly Gonzales. 2012: «Solo Piano II» (Album, Gentle Threat) | 2004: «Solo Piano I» (Album, No Format!) | 2002: «Presidential Suite»

«Solo Piano I, The Tourist» → Song anhören
«Solo Piano I, Gogol» → Song anhören
«Solo Piano I, Armellodie» → Song anhören
«Solo Piano I, Manifesto» → Song anhören
«Solo Piano II, Kenaston» → Song anhören
Presidential Suite, «Take me to the brodway» → Song anhören
«Presidential Suite» → Playlist, alle Songs anhören

 

Weitere Musikblogs:
→ Songs für den Sommer 2020
→ Annette Peacock & Paul Bley
→ Die Musik zum Sommer 2017
→ Verloren in der Musik von Mikael Tariverdiev

Share this Post